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Fotoserie Oltmanns 1983-1

Im Jahr 1983 porträtierte der Fotograf Dietrich Oltmanns Wolfgang Hilbig und dessen Meuselwitz. Es entstanden 22 Bilder - eine dokumentarische und atmosphärische Fotoserie mit kurzem Einleitungstext:

Die folgenden Bilder entstanden während eines Besuches mit Wolfgang Hilbig in seiner
„Mutterstadt“ Meuselwitz im November 1983. Für einen Beitrag des „Westfernsehens“
anlässlich der Verleihung des Brüder-Grimm-Preises gab es keine Dreherlaubnis. Deshalb
sollten unbewegte Fotografien von biografischen Originalschauplätzen als Ersatz und visueller Eindruck dienen.
Da ich nur zwei Straßen weiter wohnte und mich mit Fotografie beschäftigte, fiel die Wahl
auf mich. (Wir hatte uns kurz vorher kennengelernt.) Der Ausflug begann mit einer Busfahrt
vom Hauptbahnhof aus. W.H. hatte kaum geschlafen und war entsprechend einsilbig. Ich
war mit schauen beschäftigt, wofür sich öffentlichen Verkehrsmitteln besonders eignen.
In Meuselwitz angekommen steuerte W.H. zielstrebig einen Bäcker an und machte Kaffee in
der Wohnküche seiner Mutter, auf deren Arbeitsstelle wir noch kurz vorbeigeschaut hatten.
Er erzählte von seiner Nachkriegskindheit. Irgendwann sind wir aufgebrochen. Den ganzen
nachmittag auf Wegen, die er oft gegangen war, Arbeitswegen. Schließlich gelangten wir
an die Ruine seiner letzten Arbeitsstelle als Heizer, die er, glaube ich, als B4 bezeichnete.
Geredet wurde nicht viel, kurze Erklärungen zu den Orten und Brachen, die wir durch-
querten. Das Novemberlicht lies schnell nach, bis in der Dämmerung Fotos nicht mehr
möglich waren.
Die Tristesse des abendlichen Heimwegs nach Leipzig in den bummelnden Personenzügen
war vorhersehbar. In der Bahnhofsgaststätte tranken wir wartend hastig ein paar Biere. An
die Fahrt selbst habe ich kaum Erinnerungen.
Seit jenem Tag war mir sein nächtlich erhelltes Fenster in der Leipziger Spittalstraße treuer
Fixpunkt und Begleiter, egal wann ich nachts heimkehrte. Gelegentliche Besuche und vor
allem ausgeliehene Bücher halfen mir als dem wesentlich jüngeren, meinen Weg zu finden.
Noch heute höre ich seine Stimme, wenn ich in seinen Texten lese.

 

(Bildrechte beim Fotografen)


Dietrich Oltmanns wurde 1956 in Leipzig geboren. Nach einem technischen Studium in Ilmenau lebte er ab 1983 wieder in Leipzig, dort im Stadtteil Lindenau in der Nachbarschaft Wolfgang Hilbigs, den er häufig traf. 1991 verlegte Oltmanns sein Atelier nach Berlin. Zwei seiner aktuellen Bildbände zeigen Motive aus der Leipziger Zeit - so auch sein Buch "Arche bauen" über die Ursprünglichkeit der mit dem Urbanen verschmolzenen Natur.